Ein Erdstall ist eine künstlich, von Menschenhand angelegte Höhle aus der Zeit des Hochmittelalters

Die Erdställe bestehen aus niedrigen Gängen und Kammern, die scheinbar in sinnloser Reihenfolge im Untergrund angelegt worden sind. Relativ kurze Gangabschnitte sind durch Verengungen (sogenannte Schlupfe) miteinander verbunden und führen in kleine Kammern. Vertikal angebrachte Schlupfstellen führen nach oben oder nach unten und verbinden so unterschiedliche Ebenen. Gänge und Kammern zeigen seitlich angebrachte Nischen in verschiedenen Größen. Betreten werden die Erdställe über enge, meist horizontal angelegte "Kriechgänge", deren Seitenwände oft mit einer Trockenmauer gefasst und von oben mit schweren Steinplatten abgedeckt sind. Es gibt auch senkrecht angelegte Einstiegsschächte. Der Eingang ist immer auch der Ausgang. Die unterirdischen Bauwerke wurden in allen Teilen ohne Stützen und Ausmauerung in Tiefen zwischen 3 und 8 m gegraben. Warum oder wofür diese eigentümlichen Höhlen erbaut worden sind ist bis heute ein Rätsel. Die Bezeichnung Erdstall lässt sich auf das Wort Erdstollen (unterirdischer Gang) zurückführen, bzw. bezeichnet eine Stelle unter der Erde. Nach neuesten Erkenntnissen wurden die Erdställe in Europa im Hochmittelalter (ca. 11. bis 13. Jahrhundert n.Chr.) angelegt.

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http://www.sott.net/article/232403-Germany-Bavaria...


Bauweise

Trockenmauer

Erdställe wurden in beinahe jedem geologischen Untergrund angelegt

Die Art und Weise wie sie gegraben wurden deutet auf fachlich versierte Baumeister und ist vergleichbar mit dem historischen Bergbau. In den verschiedenen Verbreitungsgebieten gibt es immer wieder vergleichbare Elemente und Grundrisse. Eine Besonderheit ist die Wiederholung von Grundrissen in Niederösterreich und Zentralfrankreich. Aber auch innerhalb Bayerns gibt es Grundrisse, die sich sehr ähnlich sind, insbesondere, wenn der Erdstall über einen Hilfsschacht gegraben wurde.

Wichtige Merkmale der Erdställe

  • Schmale, niedrige Gänge mit Spitz- oder Rundbogen, immer ohne Ausmauerung und Stützen.
  • Enge Schlupflöcher verbinden unterschiedliche Ebenen oder Gangabschnitte mit kleinen Kammern.
  • Faustgroße Nischen in den Wänden, manchmal ohne logische Anordnung.
  • Größere Nischen mit sitzbankartiger Abstufung in den Seitenwänden, meist in unmittelbarer Nähe zu den Schlupfstellen.
  • Erkennbare Verwendung von Hilfsschächten für den Materialabtransport beim Bau (zu den Gängen hin mit einer Trockenmauer verlegt).
  • Meist aus Trockenmauern gesetzte und mit schweren Steinplatten abgedeckte, enge horizontale Einstiege. In seltenen Fällen auch vertikale Einstiegsschächte.


Veröffentlichungen zur Bauweise

Im Mitteilungsblatt der Interessengemeinschaft Erdstallforschung, "Die künstliche Höhle", wird seit 2016 (bis 2022) fortlaufend die Typologie der Erdställe fachlich versiert beschrieben. Autor ist der Österreichische Erdstallforscher Josef Weichenberger.

Siehe auch: Publikationen

Verbreitung

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Verbreitung der Erdställe in Süddeutschland, Tschechien und Österreich (Bearbeitete Grafik nach Vorlage, Quelle: Schwarzfischer Karl, Zur Frage der Erdställe oder Schrazellöcher, Weidener Heimatkundliche Arbeiten, Weiden 1968, S. 86-87).

Erdställe kommen europaweit vor

Das Verbreitungsgebiet zieht, wenn auch lückenhaft, von Ungarn über Österreich und Böhmen nach Bayern und vom Rheinland über Frankreich bis nach Südengland und Irland. Zudem gibt es einige Gebiete im Mittelmeerraum, wie zum Beispiel in Spanien oder in Israel.

Zweckbestimmung

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Das Rätsel um die Zweckbestimmung der Erdställe

Das Fehlen handfester Belege für eine erklärbare Verwendung der Erdställe und eine Vielzahl von Sagen und volkstümlichen Bezeichnungen führen zu phantasiereichen Hypothesen. Am einfachsten wäre eine Deutung der Erdställe als Versteck. Dagegen spricht ihre unpraktische Architektur. Sind es also unterirdische Kultstätten? Vieles deutet darauf hin, dass Erdställe nie betreten wurden. Kann aber eine derart mühsame Arbeit unter Tage lediglich einem symbolischen Zweck gedient haben?

Die Erdställe werden in historischen Schriften nicht erwähnt. Dafür ranken sich um die unterirdischen Gänge zahlreiche Sagen. Manche erzählen von unglaublich langen, unterirdischen Gängen die Klöster, Burgen oder Schlösser untereinander verbinden. Nicht selten befindet sich an einem der Orte tatsächlich ein Erdstall. Aus den verschiedenen Verbreitungsgebieten der Erdställe sind unterschiedliche Bezeichnungen überliefert wie Schratzelloch, Frauenloch, Alraunhöhle, Erdleutlschluf, Rätslelloch, Graslgang uvm. Die Sagen können als immaterielle Funde zur Lösung des Erdstallrätsels beitragen.

Lesen Sie mehr zur Zweckbestimmung unter "Forschung".

Video zum Thema Erdstall

Beitrag vom Dokumentarfilmer Jörg Müllner auf ZDF History

Berichtigung: Die Beteiligten Erdstallforscher haben sich heute unter der Interessengemeinschaft Erdstallforschung IGEF zusammengeschlossen und sind nicht mehr dem Arbeitskreis für Erdstallforschung angehörig.