Dieter Ahlborn (19.07.2016)
Der Arbeitskreis für Erdstallforschung e.V. veröffentlicht in seinem Jahresheft DER ERDSTALL Nr. 42 einen Bericht von Dr. Heinrich Kusch mit dem Titel „Zur archäologischen Untersuchung des Kandelhofer – /Kandlhofer Erdstalles bei Puchegg, Steiermark, Österreich“. Bereits in der Einführung wird die Datierung dieses Erdstalles in prähistorische Zeit gelegt. Ausschlaggebend dafür ist die Untersuchung einer Steinplatte, die im Zusammenhang mit einer Steinsetzung im Erdstall als Überdeckung diente. Die Platte wurde mittels TCN - Datierung auf ein Alter von 23.965 Jahre +/- 694 Jahre datiert.[1]
Der interessierte Forscher muss bei diesem Ergebnis aufhorchen, denn in den Gebieten nördlich der Alpen konnte das Alter der Erdställe in den letzten Jahren immer mehr eingegrenzt und in die Zeit zwischen 800 n.Chr. bis ca. 1.200 n.Chr. gelegt werden. Als Nachweis gelten die Siedlungsgeschichte (archäologische Untersuchungen an Wüstungen mit Erdstallvorkommen), sowie einzelne Datierungen von Holzkohle in zweifelsfreien Fundlagen.[2]
Das angebliche Alter von ca. 24.000 Jahren des Erdstalles Kandel-/Kandlhofer wurde mittels einer Oberflächenexpositionsdatierung festgestellt. Es handelt sich um eine geochronologische Methode zur Erforschung der Landschaftsentwicklung, die zur Altersbestimmung von Gletscherbewegungen oder Erosionsprozessen angewendet wird. Mit Hilfe von quantitativ bestimmten Radionukliden wird die Zeit, in welcher eine Gesteinsoberfläche der Erdoberfläche ausgesetzt war, unter bestimmten Annahmen berechnet. Im Fall von prähistorischen Gletscherbewegungen kann, nachdem ein Gletscher die Gesteinsoberfläche freigegeben hat, bestimmt werden, wie lange die neue Oberfläche der kosmischen Strahlung ausgesetzt war, also seit wann der Gletscher sich zurückgezogen hat.[3] Die Methode ist auch als TCN – Methode bekannt. Sogenannte „Terrestrische kosmogene Nuklide (Terrestrial Cosmogenic Nuklides)“ werden durch Kernreaktion von Teilchen der kosmischen Strahlung mit irdischen Oberflächengesteinen produziert. Diese eignen sich dann für entsprechende geologische oder geomorphologische Anwendungen wie eben der Datierung von Oberflächenformen.[4]
Dem Aufsatz von Herrn Dr. Kusch folgend wurde dem Bodendenkmal Kandel-/Kandlhofer Erdstall eine Steinplatte aus einer nachträglich (?) eingebrachten Steinsetzung entnommen „…Durch den sekundär erfolgten Einbau der Trockenmauerpassage gab es die Möglichkeit, eine der bearbeiteten Deckplatten mittels TCN – Datierung zu untersuchen….“[5] Die Beprobung fand am Institut für Erdwissenschaften der Karl-Franzens Universität in Graz statt. Die Altersbestimmung, von Herrn Dr. Kusch als Bearbeitungsalter der Steinplatte interpretiert„…Das von der Universität in Glasgow ermittelte Bearbeitungsalter der durch den frühen Menschen in den Erdstall eingebrachten Steinüberlage …“[6], wurde vom Scottish Universities Environmental Research Centre der Universität Glasgow ermittelt. Tatsächlich wurden entsprechende Nuklide im Quarz der Steinplatte nachgewiesen.
Die Altersbestimmung des Kandel-/Kandlhofer Erdstalles im Aufsatz des Herrn Dr. Kusch basiert allerdings auf einer Fehlannahme, denn die 24.000 Jahre sind ganz einfach das Verwitterungsalter der Steinplatte in der Natur (Anwendung findet die TCN Methode für Zeiträume, in welchen ein Gestein der kosmischen Strahlung ausgesetzt war), selbst wenn die Platte ein paar cm nachbearbeitet wurde. Für eine Altersbestimmung der Bearbeitungsspuren müsste die Platte aus einem Steinbruch mit einer Mindestüberdeckung von 1 m herausgearbeitet worden sein. Zudem deckt sich die 24.000 Jahr - Datierung mit Probemessungen an unterschiedlichen Gesteinen in der Steiermark und weist damit auf erdgeschichtliche Vorgänge hin und nicht auf das Alter einer Erdstallanlage.[7] Vermutlich hat man die herumliegende Platte im Mittelalter der Natur entnommen, ein wenig nachbearbeitet und im Erdstall verbaut. Dies wäre noch heute die typische Vorgehensweise für das Setzen einer Trockenmauer.
Der Aufsatz beinhaltet weitere Interpretationen zu Funden, die ebenfalls nur wenig mit dem heute bekannten Alter der Erdställe zu tun haben. Unterstützt von einwandfreien Zeichnungen zu geborgener Keramik, entsteht auf den ersten Blick zwar ein sehr komplexer Eindruck. Allerdings fehlen sämtliche Quellenangaben. Im Text werden lediglich Institutionen und in der Danksagung Personen erwähnt, die an den jeweiligen Arbeiten beteiligt waren. Die wissenschaftliche Methodik, insbesondere zur TCN - Datierung, wird nicht weiter erläutert.
Laut Herrn Dr. Kusch zählt der Erdstall Kandelhofer/Kandlhofer „…. heute zu den am genauesten archäologisch untersuchten Erdställen in der Steiermark.“[8] Ein erneuter Widerspruch, solange kein weiterer, fundierter Bericht mit ausreichend Quellenangaben vorliegt. Der gesamte Aufsatz ist auf ein möglichst wissenschaftliches Erscheinungsbild getrimmt, die wichtigsten Merkmale hierfür fehlen aber gänzlich. Die Vermischung wissenschaftlicher Techniken mit zahlreichen Eigeninterpretationen machen die aufgestellten Behauptungen am Ende unglaubwürdig. Möglicherweise festgestellte Tatsachen können als solche nicht mehr erkannt werden. Damit ist der Aufsatz von Herrn Dr. Kusch zum Kandel-/Kandlhofer Erdstall für eine ernst gemeinte Erdstallforschung wertlos. Die bisherige Altersbestimmung der Erdställe (ca. 800 n.Chr. bis ca. 1200 n.Chr.) bleibt unbeeinflusst.
Gemäß seiner neuen Satzung propagiert der Arbeitskreis für Erdstallforschung e.V. die Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege, “…unterstützt wissenschaftliche Auswertungen von archäologischen Grabungen und die Herausgabe der Jahresschrift „DER ERDSTALL“.[9] In diesem Zusammenhang sollte der Verein Dr. Kuschs Bericht zum Kandelhofer/Kandlhofer Erdstall entsprechend kommentieren, da der Arbeitskreis sonst in der Öffentlichkeit an Glaubwürdigkeit verliert.
Quellen
[1] Kusch Dr. Heinrich, Zur archäologischen Untersuchung des Kandelhofer – /Kandlhofer Erdstalles bei Puchegg, Steiermark, Österreich, in:Der Erdstall Nr.42, Neukirchen - Balbini 2016, S.12-35
[2] Weichenberger Josef, Das Alter der Erdställe, in: Der Erdstall Nr.39, Aying 2013. Internet: http://www.erdstallforschung.at/?p=641 abgerufen am 14.07.2016., Krenn Dr. Martin, Erdställe im archäologischen Kontext der mittelalterlichen Wüstung Aichenstauden, Niederösterreich, in: Der Erdstall Nr. 39, Aying 2013., Neckuda Vladimir, Erdställe in den mittelalterlichen Wüstungen Mährens, in: Der Erdstall Nr. 18, Roding 1992.
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Oberfl%C3%A4chenexpositionsdatierung, abgerufen am 11.07.2016.
[4] http://www.gfz-potsdam.de/sektion/anorganische-und-isotopengeochemie/projekte/cronus-eu/ abgerufen am 11.07.2016
[5] Kusch Dr. Heinrich, - S.24
[6] Kusch Dr. Heinrich, - S.12
[7] Nachfrage per e-mail an der Karl Franzens Universität in Graz am 05.Juli 2016 durch den Verfasser.
[8] Kusch Dr. Heinrich, - S.12
[9] http://erdstall.de/satzung.html, abgerufen am 14.07.2016.